Claus Bantzer
Komponist, Organist, Musiker

Hamburger Abendblatt | Mai 2013

Lenz – Eine Erinnerung: die Büchner-Beschwörung Das Kammerspiel von Wolf-Dietrich Sprenger überzeugte am Thalia an der Gaußstraße. Die lautmalerische Qualität der Musik ergänzte kongenial, was Sprenger mit einfachen Mitteln an großer Wirkung herstellte.


Von Stefan Grund

Ein vorzügliches Kleinod der Bühnenkunst erblickte am Wochenende im Thalia in der Gaußstraße das Licht der Welt. “Lenz – eine Erinnerung” war der Abend überschrieben – erdacht, gespielt und eingerichtet von Wolf-Dietrich Sprenger. Der exzellente Schauspieler und Regisseur weckte die Erinnerung an den Sturm-und-Drang-Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz und machte sie höchst lebendig, indem er die Lenz-Erzählung des Vormärz-Dichters Georg Büchner in ein dramatisches Werk verwandelte, derweil er sie vortrug.


Vor Büchners inszenierte Erzählung aber stellte Sprenger einen Auszug einer revolutionären Rede: “Über Götz von Berlichingen”, die Lenz mit Blick auf das Drama von Johann Wolfgang von Goethe von 1774 im Jahr der Uraufführung hielt. So wird greifbar, warum Büchner glaubte, an die Zeit des Sturm und Drang sei künstlerisch anzuknüpfen und so wird fassbar, was ihm an Goethe und seinen Zeitgenossen vorbildhaft schien. “Ich verlange in allem – Leben, Möglichkeit des Daseins, und dann ist’s gut; wir haben dann nicht zu fragen, ob es schön, ob es häßlich ist. Das Gefühl, daß, was geschaffen sei, Leben habe, stehe über diesen beiden und sei das einzige Kriterium in Kunstsachen”, formuliert Büchner sein fundamentalrealistisches Credo.

Auch diesem strengen Kriterium genügte Sprengers Abend vollkommen. Der wunderbare Sprecher Sprenger verkörpert auch als 70-Jähriger kraftvoll und mühelos den jungen Lenz, sitzt, steht, flüstert und tobt vor einer in Schwarz mit Spuren von Rot und Gold gehaltenen riesigen Blechwand. Die Farben der heutigen deutschen Nationalflagge waren im Vormärz Symbol der nationalen Einheit Deutschlands unter demokratischen Vorzeichen. Vor dem überwiegend schwarz grundierten Blech (Bühne: Achim Römer) zeichnet Sprenger den Weg des dichterischen Genies Lenz vom gefeierten Goethe-Freund in Weimar zum verstoßenen Wahnsinnigen. Lenz stirbt Jahre später mittellos und elend auf offener Straße in Moskau. Büchner erzählt nur einen Ausschnitt aus dem lebenslangen Absturz, erzählt vom Ausbruch der Krankheit, einer paranoiden Schizophrenie.
(...)
Im Sog der Geschichte hält der 70-minütige Theaterabend ohne Pause ein gutes, elegant rhythmisiertes Tempo. Manch Donnerschlag auf die Blechwand dient dem Zweck. Ohne Müßiggang auf der Bühne keine Langeweile im Publikum. Entscheidenden Anteil am Erfolg der Inszenierung hat der Kirchenmusiker und Pianist Claus Bantzer. Der erfahrene Komponist mancher Filmmusik sitzt rechts am Bühnenrand und steuert live am Klavier seine Lenz-Bilder einer Klangausstellung bei. Die lautmalerische Qualität der Musik erhöht, beschleunigt und ergänzt kongenial auf einer zweiten Ebene, was Sprenger mit einfachen Mitteln an großer Wirkung herstellt. Zudem spricht Bantzer am Klavier die Rolle des Oberlin, die Worte des Theologen also, der Lenz in einer kritischen Phase seiner Krankheit beherbergt und pflegt. Auf den minutiösen Tagebuchaufzeichnungen des realen Oberlins zum Krankheitsverlauf Büchners basiert die Erzählung. Am linken Bühnenrand ergänzt Friederike Zörner mit Texten und Gesang den dreistimmigen Chor.
zum Artikel: www.abendblatt.de/kultur-live

Pinneberger Tageblatt | März 2011

Roter Teppich für Bach und Bantzer

Barock und Moderne in Vollendung: Die vier Vollblut-Virtuosen des “Ensemble Obligat” überzeugten nicht nur durch ihr absolut präzises Spiel und ihre souveräne Beherrschung anspruchsvollster Werke. Sondern der Zauber des Konzerts von Imme-Jeanne Klett (Flöte), Rodrigo Blumenstock (Oboe), Clemens Malich (Cello) und Anke Dennert (Cembalo) lag vor allem in ihrer Kunst, die komplexen Klangkonstrukte von Altvater Bach bis zu zeitgenössischen Könnern wie Claus Bantzer (Jahrgang 1942) wie lebendige Klangskulpturen quasi dreidimensional in den Raum zu stellen.

... Schon das Programm bewies Raffinesse: Barocke Großtaten aus dem Hause Bach, gewürzt mit ausgesuchten Geniestreichen der Moderne, die sich um die Legende der erfolglosen Jagd des liebestollen griechischen Hirtengottes Pan nach der schönen Nymphe Syrinx drehten.

Enthusiastische Bravo-Rufe gab es nach der exzellenten Interpretation von Bantzers rasantem Viersätzer “Pan und Syrinx” von 2008 völlig zu Recht. Die wilde, zerrissene Kakophonie der Jagdszenen von Gott und Nymphe, die traumverlorene Melancholie des zweiten Satzes als eine Art “Atempause”, sowie die zarte Anmut der Flöte als Symbol der schließlich verwandelten Nymphe Syrinx – das klang farbig, dramatisch, druckvoll. Das war einfach hinreißend gute Musik, erstklassig gespielt.


Der ganze Artikel unter www.pinneberger-tageblatt.de

Neue Osnabrücker Zeitung | September 2010

Weltlich, geistlich, jenseitig


Georgsmarienhütte. Auch dafür bietet Musica Viva Platz: für einen Abend voller romantischer Chormusik. Natürlich wurde Felix Mendelssohn Bartholdys “Oh Täler weit, oh Höhen” durch den volkstümlichen Wolf gedreht und geht doch immer noch wunderbar zu Herzen. Denn der Harvestehuder Kammerchor befreit die “Sechs Lieder im Freien zu singen” durch flotte Tempi und feine Artikulation vom volkstümelnden Staub.
Unter ihrem Leiter Claus Bantzer schreiten die 17 Frauen und 13 Männer die deutsche Chorromantik ab, von Schumann und Mendelssohn über Hugo Wolf bis hin zu Max Reger. Mit dessen fünfstimmiger Motette “Ach, Herr strafe mich nicht” op. 110 Nr. 2 beginnt das Konzert in der Lutherkirche in Georgsmarienhütte.
Hier offenbart der Chor erstmals seine herausragenden Qualitäten, besticht durch die klaren Konturen der Interpretation. Dabei schlägt das Werk überraschende harmonische Haken und ist gekennzeichnet durch die dichte musikalische Faktur. Das alles arbeitet Bantzer fein heraus, stellt Höhepunkte dar, lässt den ersten Teil in einen wunderbar friedvollen Choral münden und schließt die virtuos gestaltete Chorfuge an.
Nach diesem Kraftakt gönnt Bantzer seinen Sängern eine kleine Pause und setzt sich an die Orgel. Dann wird’s weltlich im neogotischen Kirchlein: Mit reizend vielfältigen Gesängen für Frauen- und für Männerchor von Schumann, mit den Liedern von Mendelssohn. Das Beste aber kommt, wie immer zum Schluss: Gustav Mahlers “Ich bin der Welt abhandengekommen”, vom Chorspezialisten Clytus Gottwald für sechszehnstimmigen Chor arrangiert und vom Harvestehuder Kammerchor großartig umgesetzt: nicht geistlich, nicht weltlich, sondern jenseitig.


Zum Artikel: Neue Osnabrücker Zeitung

Hamburger Abendblatt | April 2008

Kirchenmusikdirektor von “St. Bantzer” im Turmweg geht in den Ruhestand


Claus Bantzer verlässt nach 33 Dienstjahren “seine” Kantorei an der St.-Johannis-Kirche.
Von Marcus Stäbler



Als sich Claus Bantzer vor zwei Wochen mit verdächtig glänzenden Augen bei den Solisten seiner Johannes-Passion bedankte, dürfte sicher eine Portion Wehmut im Spiel gewesen sein – in Anbetracht des letzten großen Konzerts mit “seiner” Kantorei.
Doch neben dem verständlichen Abschiedsschmerz zeigte Bantzers emotionale Reaktion auch eine Eigenschaft, die sein künstlerisches Profil entscheidend geprägt hat: Selbst nach 33 Dienstjahren an der Harvestehuder St.-Johannis-Kirche mit rund 50 Aufführungen allein der bachschen Oratorien ist der scheidende Kirchenmusikdirektor nie in ehrenwerte Routine verfallen, sondern kann sich bis heute tief und schutzlos von der Musik berühren und bewegen lassen: “Diese großen Werke, das bedeutet schon ein wichtiges Stück musikalische Heimat für mich.”
Seine Gabe, das Unsagbare in den Tönen intensiv zu spüren und zu vermitteln, hat den gebürtigen Hessen zu einem charismatischen, mitunter genialen (Moment-)Musiker gemacht, der seine Ensembles regelmäßig dazu bringt, in Konzerten über sich hinauszuwachsen: Wer einmal unter ihm gesungen hat, wird kaum vergessen, mit welcher Suggestionskraft und welchem Vertrauen Bantzer sich in der Live-Situation offenbart und dabei alle Mitwirkenden in seine konkrete Klangvorstellung einzusaugen vermag. Nicht zufällig zählt die Improvisation – die Musik, die im Augenblick entsteht – zu seinen besonderen Markenzeichen: Auch der unverwechselbare, gerne etwas spacige Sound seines Orgelspiels ist dafür verantwortlich, dass die neugotische Kirche am Turmweg im Volksmund gerne “St. Bantzer” genannt wird.



Der ganze Artikel unter:
www.abendblatt.de

chrismon | Janaur 2008

Porträt
Improvisationen auf der Orgel: der Musiker Claus Bantzer

Die rotgeklinkerte neogotische Kirche mitten im Nobelstadtteil Harvestehude heißt eigentlich St. Johannis, doch nicht wenige Menschen nennen sie einfach “St. Bantzer”. Denn dann weiß man wirklich, welche gemeint ist. Johanniskirchen gibt es mehrere in Hamburg, Claus Bantzer aber gibt es nur einmal. Seit 1975 ist er Kirchenmusiker an “seiner” Johanniskirche. Bantzer, 65, ist ein Multitalent. Der virtuose Organist und Pianist ist im Jazz und in der experimentellen Musik zu Hause. Gleichzeitig aber liebt er auch die klassischen Aufgaben eines Kantors. So leitet Bantzer zwei der besten Chöre Hamburgs, seinen “großen Chor”, die Kantorei St. Johannis, und den Harvestehuder Kammerchor, der durch CD-Aufnahmen bekannt geworden ist. Mit diesem Auswahlensemble führt er am 26. Januar die Marienvesper des Barockmeisters Claudio Monteverdi auf.
Überregional bekannt wurde Claus Bantzer durch zahlreiche Filmmusiken, zum Beispiel für Doris Dörrie, und durch die von ihm konzipierte Reihe “Kreuzungen”. Darin kombiniert Bantzer Kirchenmusik mit anderen Künsten. Ein Beispiel, das heute vielerorts kopiert wird.
Bantzer stammt aus einer Marburger Künstlerfamilie: Sein Vater und sein Großvater waren Kunstmaler, sein Bruder Christoph ist ein bekannter Schauspieler. Überragend sind Bantzers Fähigkeiten in der Improvisation. Viele freuen sich allsonntäglich auf das Orgelvorspiel zum Lied nach der Predigt, bei dem Bantzer besonders weit ausholt.
Diese Fähigkeiten sind auch in der neuen Produktion der edition chrismon zu hören. Bantzer bereichert mit seinen Orgelimprovisationen das Hörbuch “Schöne Aussichten”, das jetzt erschienen ist. Es enthält Bibelauslegungen des Theologen und Schriftstellers Fulbert Steffensky, von diesem selbst vorgelesen. Im vergangenen Jahr hatte Bantzer als Pianist die Musik der Paul-Gerhardt-CD “Ich sehe dich mit Freuden an” gestaltet, auf der die Schauspieler Jasmin Tabatabai und Rolf Becker Texte von Gerhardt rezitieren.
Nach Ostern wird Claus Bantzer als Kirchenmusiker in den Ruhestand treten. Natürlich wird ihm der Kantorenalltag fehlen. Andererseits ist er auch froh, dass er viel mehr Zeit für andere interessante Projekte hat – zum Beispiel für Hörbücher.
(Reinhard Mawick)

www.chrismon.de